Widerspruch gegen Pflegebescheid bereits nach Aktenlage abgelehnt
– sozialmedizinisches Kurzgutachten –
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) trifft selbst keine Entscheidung über die Bewilligung eines Pflegegrades. Dieser ist als sachverständige Beratungseinrichtung tätig, die im Auftrag der Pflegeversicherungen arbeitet.
Die Pfegekassen sind als Entscheider gehalten, die vom MDK abgegebene gutachterliche Stellungnahme auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit hin zu prüfen. In der Praxis kommen den Pflegeversicherungen jedoch eher selten Zweifel an der Richtigkeit des Pflegegutachtens.
Auf Seiten des Pflegebedürftigen sieht es anders aus. Dieser hat die Möglichkeit, durch fristgerechtes Einlegen eines Widerspruches seine Zweifel begründet darzulegen. Die Krankenversicherung holt dann in der Regel eine erneute Stellungnahme des MDK ein.
Innerhalb welcher Zeit sollte die Pflegekasse über den Widerspruch entschieden haben?
Die Pflegeversicherung ist gehalten, innerhalb einer angemessenen Frist über den Widerspruch zu entscheiden. Da die Pflegekasse zunächst eine Stellungnahme des MDK einholen wird, kann bereits aufgrund der Postlaufzeiten nicht davon ausgegangen werden, dass dies innerhalb weniger Tage geschieht. Innerhalb von drei Monaten sollte jedoch über den Widerspruch entschieden werden (§ 88 Abs. 2 SGG).
Eine andere Frist kann sich ergeben, wenn die Pflegeversicherung einen sachlich zureichenden Grund hat und der Widerspruch deshalb noch nicht beschieden werden kann.
MDK bleibt oftmals bei ablehnender Stellungnahme
Oftmals ist jedoch zu beobachten, dass der MDK bei seiner ablehnenden Stellungnahme bleibt. Eine Neubegutachtung findet nicht statt, mit der Begründung (so oder ähnlich):
„ … dass laut vorliegendem Gutachten, eindeutigem Sachverhalt und ausreichender Information zur Pflegesituation auf eine erneute Begutachtung in der Häuslichkeit verzichtet werden kann. Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes erfolgt weiterhin die Empfehlung des vorbeschriebenen Pflegegrades“
Im Klartext: Der Widerspruch wird nach Aktenlage abgelehnt.
Dass sich aus einem bereits „vorliegendem Gutachten“ keine Neubewertung ergibt, ist naheliegend. Denn dieses beruht auf dem bereits bei der Erstbegutachtung festgestellten „Sachverhalt“. Eindeutig ist dieser jedoch keineswegs, sondern vielmehr Auslöser des Widerspruches. Mit „Information zur Pflegesituation“ kann der Pflegebedürftige zumeist wenig anfangen. Diese hat keinen Geldwert und seine Pflegesituation erlebt der pflegebedürftige Mensch täglich – kennt diese somit besser als der Gutachter des MDK oder dessen Pflegeversicherung.
Formal ist der MDK jedoch befugt, von einer Untersuchung im Wohnbereich des Pflegebedürftigen abzusehen: „Die Untersuchung im Wohnbereich des Pflegebedürftigen kann nach Aktenlage unterblieben, wenn auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht“ (§ 18 Abs. 2 S. 4 SGB XI).
Neubegutachtung in der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen abgelehnt
Im Widerspruchsschreiben wird regelmäßig die nicht entsprechend der Begutachtungsrichtlinien vorgenommene pflegemedizinische Sachverhaltsaufklärung angegriffen. Ohne Neubegutachtung in der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen wird es kaum zu einer Änderung des Pflegegrades kommen. Hiergegen sperren sich oftmals der MDK und die Pflegekassen als dessen Auftraggeber. Der MDK beschränkt sich auf eine Stellungnahme nach Aktenlage. Dessen Ansicht schließt sich die Kasse dann an.
Die Pflegeversicherung teilt dem Versicherten nachfolgend mit (so oder ähnlich):
„ … wir bedauern, Ihren Erwartungen nicht nachkommen zu können. Bitte haben Sie Verständnis für unsere begründete Entscheidung“
Auffällig ist zunächst, dass der Widerspruch zwar dem Wortsinn nach, aber nicht formal, abgelehnt wurde. Vielmehr fordert die Pflegekasse den Widerspruchsführer dazu auf, bis zu einem bestimmten Stichtag mitzuteilen, ob der Widerspruch aufrecht erhalten bleibt oder zurückgenommen wird. Zahlreiche pflegebedürftige Widerspruchsführer resignieren an dieser Stelle.
Pflegebedürftige halten Widerspruch oftmals nicht aufrecht
Es lässt sich nicht beweisen. Aber es besteht Anlass zur Vermutung, dass die Pflegekassen eben hierauf spekulieren. Der pflegebedürftige Mensch kapituliert vor der Herausforderung, sich weiter mit der Pflegeversicherung zu streiten und Schriftverkehr zu führen.
Eine formale Ablehnung des Widerspruches würde dem Widerspruchsführer den Weg zur (kostenfreien) Klage vor dem Sozialgericht eröffnen. Auf diese Möglichkeit hätte die Pflegekasse in ihrer Ablehnung ausdrücklich hinzuweisen. Aus der sogenannten Rechtsbehelfsbelehrung hat hervorzugehen, welche weiteren rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um gegen die Entscheidung der Pflegeversicherung vorzugehen. Dies dürfte jedoch kaum im Interesse der Pflegekasse sein.
Ablehnung des Widerspruches nach Aktenlage – Fallstricke vermeiden
Um Fallstricke, wie beispielsweise die Ablehnung nach Aktenlage, zu vermeiden, sollte der Widerspruch mit Sorgfalt formuliert werden. Beim Pflegebedürftigen bestehende Funktionseinschränkungen und Fähigkeitsbeeinträchtigungen sind ausführlich zu begründen. Fachärztliche Stellungnahmen und klinische Entlassungsberichte können hilfreich sein. Jedoch lässt sich aus ärztlichen Befunden nicht unmittelbar auf den Umfang der Pflegebedürftigkeit schließen.
Blickpunkt sichere Pflege e.V. berät telefonisch kostenfrei zum bedarfsgerechten Pflegegrad und bespricht mit Ihnen Ihren Pflegebescheid. Auf Wunsch erstellen wir Pflegegutachten, als Anlage zu Ihrem Widerspruch.